Hört auf zu streiten!: Wenn im Kinderzimmer Kampfstimmung herrscht

Wenn mehrere Kinder unter einem Dach leben, sind Konflikte regelrecht vorprogrammiert. Kleinere und größere Auseinandersetzungen zwischen Geschwistern stehen wohl in jeder Familie regelmäßig an der Tagesordnung. Doch warum streiten Kinder eigentlich? Und wie sollen Sie sich als Eltern bei Geschwisterstreit verhalten? Die Antworten auf diese Fragen erhalten Sie in diesem Artikel. 

Wie gehen Sie damit um, wenn Ihre Kinder streiten? Lassen Sie sich leicht in die Situation hineinziehen? Fühlen Sie den Drang, den Streit zu schlichten? Ergreifen Sie Partei, wenn sich ein Kind im Recht oder im Nachteil sieht? Mit ziemlicher Sicherheit beantworten Sie diese Fragen mit „Ja“. Und Sie können beruhigt sein - bei den meisten Eltern ist das so.

Denn kaum etwas stellt Eltern in ihrem Erziehungsalltag immer wieder vor so große Herausforderungen, wie Streit unter Geschwistern. Die daraus entstehenden Konflikte können schnell zur nervlichen Zerreißprobe werden und den Haussegen schief hängen lassen. Unbestritten eine unangenehme Situation für alle. 

Warum sich Eltern einmischen

Wenn Kinder streiten dauert es deshalb vermutlich meist nicht sehr lange, bis Sie als Elternteil in den Konflikt hineingezogen werden. Entweder, weil sich die Kinder der Situation nicht mehr gewachsen fühlen und Ihre Unterstützung einfordern. Oder, weil Sie es selbst als Ihre Aufgabe sehen, sich als Schiedsrichter zwischen die Streithähne zu stellen und die Auseinandersetzung zu beenden. Oder weil sich das Verhalten Ihrer Kinder schlicht und ergreifend unter Ihrer Annahmelinie befindet. 

Aber seien Sie ehrlich: Wie oft agieren Sie dann tatsächlich unparteiisch? Wie objektiv können Sie bleiben, wenn ein Kind dem anderen körperlich oder verbal überlegen ist? Oder sich ein Kind dem anderen gegenüber unfair benimmt? Wenn die 5-Jährige weint und schreit, weil der 10-Jährige sie bis aufs Blut schikaniert? Oder der 6-Jährige furchtbar wütend wird, weil der 4-Jährige ausgerechnet seine neue Legoburg zerlegt hat?

Sehr wahrscheinlich werden Sie die Situation beurteilen und helfend eingreifen.. Mit einer Lösung, die Ihrer Meinung nach in diesem Moment richtig ist. Vielleicht ergreifen Sie Partei, indem Sie das Kind zur Rechenschaft ziehen, das Ihrer Meinung nach für den Streit verantwortlich ist. Oder Sie versuchen, das „schwächere“ Kind zu retten, indem Sie als Sprachrohr fungieren und es verteidigen. Vielleicht möchten Sie aber auch diplomatisch bleiben, indem Sie das Corpus Delicti an sich nehmen. Oder Sie versuchen durch Ablenkung oder Alternativen, dem Streit den Zündstoff zu entziehen. Und manchmal werden Sie auch einfach Macht, Drohung oder Strafen anwenden, um den Konflikt zu beenden.

Einer ist immer der Verlierer

Doch egal, wie Ihre Lösung auch ausschaut, es ist und bleibt Ihre Lösung. So kann es sein, dass dadurch neue Konflikte entstehen, anstatt die Situation tatsächlich zu klären. Vor allem deshalb, weil sich ziemlich sicher immer irgendjemand als Verlierer sieht. Weil sich ein Kind ungerecht behandelt fühlt und mit Widerstand oder auch Rückzug reagiert. Weil die Kinder allesamt nicht einverstanden sind und nun als Team gegen Sie als „Bösewicht“ in den Kampf ziehen. Oder, weil Sie selbst durch Ihre Entscheidung von Unsicherheit oder schlechtem Gewissen geplagt sind. Im Grunde also ein Resultat, das Ihrem Ziel der Problemlösung völlig widerspricht.

Kinderstreit ist NICHT Ihr Problem!

Bestimmt werden Sie sich jetzt fragen, was Sie denn sonst tun können, nicht wahr? Nun, zuerst sollten Sie sich vor Augen führen, warum es eigentlich zum Konflikt kommt. Für Erwachsene sind die Gründe für Kinderstreit oft weder erkennbar, noch nachvollziehbar. Aber der Auslöser ist eigentlich immer ein Gefühl des Mangels. Streit und Konflikte entstehen dann, wenn ein unbefriedigtes Bedürfnis durch ein bestimmtes Verhalten zum Ausdruck gebracht wird. Weil das Kind müde oder hungrig ist, weil es Ordnung und Fairness braucht, weil es Aufmerksamkeit und Zuwendung möchte, weil es Freiheit und Unabhängigkeit will.

Kurzum: Bei Geschwisterstreit haben Ihre Kinder das Problem - nicht Sie! Allerdings kann es natürlich zu Ihrem Problem werden. Nämlich dann, wenn Sie sich darüber ärgern oder sich gestört fühlen. Aber auch dann, wenn Sie sich zu sehr in die Situation involvieren lassen und die Probleme Ihrer Kinder zu Ihren eigenen machen.

Wirksames Vermitteln bei Streit

Genau diesem Dilemma wirkt der Ansatz der wirksamen Vermittlung bei Streit im GORDON Familientraining entgegen. Er basiert auf dem Prinzip der richtigen Problemzuordnung und verfolgt das Ziel, Kindern in Konfliktsituationen hilfreich beizustehen und sie bei der Lösung zu unterstützen, ohne ihnen jedoch ihre Probleme abzunehmen. Wie das funktioniert, zeigt Ihnen der folgende Leitfaden.

6 Schritte, wie Eltern bei Kinderstreit vermitteln können

  1. Halten Sie die Kinder an, miteinander zu sprechen, anstatt durch Sie als Elternteil.
    Wenn sich Ihr Kind zum Beispiel beschwert, dass ihm das Geschwisterchen etwas weggenommen hat, fragen Sie es „Hast du ihm/ihr schon gesagt, dass du das nicht magst?“ In den meisten Fällen wird Ihr Kind verneinen, umdrehen und es versuchen - und häufig ist damit der Konflikt auch schon wieder im Keim erstickt.

  2. Lassen Sie die Kinder einander zugewandt sitzen, anstatt Ihnen als Elternteil.
    So unterstützen Sie den direkten Dialog zwischen Ihren Kindern und brauchen nicht als „Übersetzer“ agieren.

  3. Setzen Sie Türöffner in Ihren Formulierungen ein anstatt subjektiver Bewertungen oder Vorverurteilungen.
    Wenn Sie zwischen Ihren streitenden Kindern vermitteln möchten, fragen Sie zum Beispiel neutral „Was ist hier das Problem“ anstatt „Was hast du getan?“

  4. Zeigen Sie Verständnis für die intensiven Gefühle Ihrer Kinder und helfen Sie ihnen durch Aktives Zuhören dabei, diese Empfindungen einzuordnen.
    Wenn Ihr Kind seinem Ärger bei Ihnen Luft macht, sagen Sie zum Beispiel „Das ärgert dich jetzt wirklich“ anstatt „Jetzt beruhig dich doch, das ist doch nicht so schlimm“

  5. Senden Sie klare (entgegnende) Ich-Botschaften, wenn ein Kind von Ihnen eine Lösung des Problems erwartet oder eine Konsequenz einfordert.
    Sagen Sie zum Beispiel „Nein, ich werde deinem Bruder das Spielzeug nicht wegnehmen, weil ich weiß, dass ihr euch selbst einigen könnt.“

  6. Lassen Sie den Kindern selbst eine Lösung finden, die für sie in Ordnung ist und akzeptieren Sie diese auch.
    Mischen Sie sich nicht zu schnell ein und machen Sie keine Vorschläge, die Ihrer Meinung nach besser wären. Die Lösung muss für die Kinder passen - nicht für Sie.

Wenn sich Ihre Kinder also das nächste Mal sprichwörtlich in die Haare kriegen, versuchen Sie zu vermitteln, anstatt die Probleme Ihrer Kinder zu lösen. Sie werden verblüfft sein, wieviele Konfliktsituationen genauso schnell wieder verschwinden, wie sie entstanden sind.

Birgit Mayrhofer